Fallberichte Scheinträchtigkeit

Fallberichte Scheinträchtigkeit

Was ist eine Scheinträchtigkeit?

Die Scheinträchtigkeit, auch Pseudogravidität oder Lactatio sine graviditate, ist keine Krankheit, sondern ein hormoneller Zustand von Hündinnen, welcher einen entwicklungsgeschichtlichen Hintergrund hat. Circa 4 – 9 Wochen nach der Läufigkeit treten bei einigen Hündinnen psychische und körperliche Symptome auf, die Hündinnen verhalten sich, als wären sie trächtig. Verantwortlich hierfür sind die Hormone Progesteron und Prolaktin, der Progesteronspiegel im Körper sinkt stark, der Prolaktinspiegel steigt. 

Scheinträchtigkeit ist ein hormoneller Zustand – keine Krankheit!

Scheinträchtigkeit ist ein hormoneller Zustand – keine Krankheit!

Symptome

Das auffälligste Symptom ist das Anschwellen der Milchleisten, eventuell begleitet durch geringgradige bis starke Milchsekretion. Hinzu können psychische Veränderungen kommen, Nestbauverhalten, Spielsachen als Welpenersatz sammeln, Aggressivität, Leistungsschwäche bis Apathie und Verweigerung von Futter.
Die Symptome treten circa 4-9 Wochen nach der Läufigkeit auf und dauern circa 2-3 Wochen, in Ausnahmefällen auch länger, an. 

Evolutionärer Hintergrund

Vor langer langer Zeit als Hunde bzw. deren Vorfahren noch in großen Wolfsrudeln lebten, war es von Vorteil, wenn sich potentiell mehrere Hündinnen um Welpen des Leittieres kümmern konnten, falls dieses jagdlich unterwegs war oder starb. Da die Zyklen der Weibchen in etwa synchron verliefen, konnten scheinträchtige Tiere die Welpen anderer Hündinnen des Rudels großziehen – ein evolutionärer Vorteil!

Scheinträchtigkeit war ein evolutionärer Vorteil für Wölfe

Und heute?

Okay, wir haben gelernt, dass die Scheinträchtigkeit keine Krankheit in dem Sinne ist und früher ein Vorteil für das Überleben der Art war. Aber wie sieht es nun heute aus? Sind alle (intakten, d.h. unkastrierte) Hündinnen betroffen? Muss man Symptome einfach hinnehmen? Ist Kastration die Lösung? …

Heute ist es so, dass nicht alle Hündinnen davon betroffen sind und die Ausprägung der Symptome sehr stark von Hündin zu Hündin variiert. Mitunter ist es aber leider eine sehr starke Belastung für Hündin und Besitzer.  Man geht davon aus, dass Hündinnen, die sehr starke Symptome zeigen, unter einem hormonellen Ungleichgewicht leiden.

Es werden nicht alle Hündinnen nach der Läufigkeit scheinträchtig.
Ursächlich kann ein hormonelles Ungleichgewicht dahinterstehen.

Warum Kastration keine (ganzheitliche) Lösung ist

Bei einer Kastration werden bekanntermaßen die Geschlechtsorgane chirurgisch entfernt, bei Hündinnen also die Eierstöcke und ggf. auch die Gebärmutter. Die Hormonproduktion dieser Organe wird damit gestoppt, die Hündin wird nicht mehr läufig und kann somit auch nicht mehr scheinträchtig werden. Problem gelöst, oder doch nicht? 

Meine Erfahrung deckt sich mit der von einigen Fachleuten geteilten These, dass ein hormonelles Ungleichgewicht für eine Scheinträchtigkeit verantwortlich ist. Dieses Ungleichgewicht drückt sich bei genauerem Hinschauen jedoch meist nicht nur in einer Scheinträchtigkeit aus. Das Hormonsystem an sich ist bereits hochkomplex, hinzu kommen Verkettungen mit weiteren Funktionskreisen des Körpers – nur zu gerne verweise ich auf das Zitat von Alexander von Humboldt „Alles hängt mit allem zusammen“. Um zurück auf die Kastration zu kommen: dieser (massive) Eingriff beseitigt das Symptom Scheinträchtigkeit, nicht jedoch das zugrunde liegende Ungleichgewicht im Organismus des Tieres. Außerdem hat die Kastration weitere Konsequenzen, man darf nicht vergessen, dass grundlegend in das Hormonsystem eingegriffen wird – ein System, welches nicht nur für die Fortpflanzung zuständig ist, sondern mit Signalstoffen (Hormonen) Organe, Stoffwechselvorgänge, … , den gesamten Körper beeinflusst.

Eine Kastration beseitigt nur das Symptom. Aufgrund zahlreicher Auswirkungen auf den gesamten Organismus sollte dieser chirurgische Eingriff wohl durchdacht sein.

Alternativen

Glücklicherweise gibt es zahlreiche Möglichkeiten in der alternativen Tiermedizin, um scheinträchtigen Hündinnen (und ihren mitleidenden Besitzern) zu helfen. 

Meiner Erfahrung nach gibt es kein allgemeines Rezept, jedes Tier verdient eine individuelle Betrachtung, ein individuelles Therapiekonzept, welches nicht nur die Scheinträchtigkeit sondern das ursächliche Ungleichgewicht in den Fokus stellt. 

Was kann ich als Besitzer tun?

Aus genannten Gründen würde ich im Zweifelsfall immer einen kompetenten Therapeuten zur Rate ziehen, Stichwort generelle Dysbalancen im Organismus der Hündin. Ebenso sollten natürlich andere Ursachen bzw. Erkrankungen ausgeschlossen werden, tierärztliche Abklärung ist nie verkehrt!

Ist sicher, dass die Hündin „nur“ scheinträchtig ist, kann man selber Gutes tun durch:
-> Ablenkung in Form von Bewegung, Spiel, Denkaufgaben, etc. (Achtung: Die körperliche Leistungsfähigkeit ist häufig vermindert, die Anforderungen sollten vermindert werden, um den Körper nicht noch mehr zu fordern und stressen neben der Scheinträchtigkeit!),  
-> Gesäugeregion/ Bauch nicht streicheln, dies fördert die Milchproduktion
-> Kuscheltiere etc. (Welpenersatz) außer Reichweite verwahren
-> Stress vermeiden (zusätzliche Prolaktin-Auschüttung durch Stress vermeiden)

Die alternative Tiermedizin bietet zahlreiche Möglichkeiten für individuelle und ursächlich orientierte Therapien. Besitzer können zusätzlich sinnvolle Maßnahmen wie eine extra Portion Beschäftigung ergreifen.

Fallberichte

Nachfolgend stelle ich drei Fallberichte vor. Drei Hündinnen, unterschiedliche Symptome, unterschiedliche Typen, unterschiedliche Ursachen, unterschiedliche Therapiekonzepte. 
Die Therapieziele waren bei den drei Hündinnen die gleichen: Umgehende Regulierung des Hormonsystems und langfristige Harmonisierung der Grundkonstitution.

Hündin, 3 Jahre alt

  • Nestverhalten, depressiv, Inappetenz, mag das Haus nicht verlassen
  • Generell: Neigung zu Aufregung (Hysterie), abwechselnd mit Ängstlichkeit abends
  • Auffälliger diagnostischer TCM-Punkt

Therapie: TCM-Phytotherapie und Akupunktur individuell abgestimmt nach TCM-Analyse, westliche Phytotherapie, Homöopathie
-> nächste Läufigkeit keinerlei Symptome einer Scheinträchtigkeit 🙂

Hündin, 4 Jahre alt

  • Scheinträchtigkeiten nach jeder Läufigkeit
  • Vorbehandlung bei letzter Scheinträchtigkeit durch Tierarzt mit Galastop, starke Nebenwirkungen: Erbrechen und Muskelzittern, Besitzer denkt über Kastration als letzten Ausweg nach 
  • starke Anschwellung der Milchleisten, Milcheinschuss, Mastitis 
  • depressiv, Leistungsinsuffizienz, Muskelzittern nach Anstrengung
  • generell: Neigung zu Durchfall, lässt sich von anderen Hunden viel gefallen, „gutmütiger Typ“

Therapie: Osteopathie, TCM-Phytotherapie abgestimmt nach TCM-Analyse, westliche Phytotherapie

Hündin, 2 Jahre alt

  • zuvor keine Scheinträchtigkeiten gehabt
  • Nestverhalten, leichtes Anschwellen der Milchleisten, Muskelzittern, starkes Bellen und Jaulen bei Verlassen des Grundstücks, Aufregung, Inappetenz, gereizt mit anderen Hunden
  • generell: Tendenz zu starker Aufregung, sehr sensibel und reizempfänglich

Therapie: Westliche Phytotherapie, Homöopathie

Alle drei Hündinnen zeigten eine sehr rasche Besserung innerhalb von wenigen Stunden, innerhalb von einigen Tagen verschwanden die Symptome komplett. 
Gleichzeitig verbesserten sich die generellen Auffälligkeiten der Tiere und es konnten, bei konsequenter Umsetzung der erstellten Therapiepläne, nächste Scheinträchtigkeiten verhindert werden. 

Fazit

Die Scheinträchtigkeit ist keine Krankheit, es handelt sich viel mehr um einen hormonellen Zustand mit evolutionärem Hintergrund. Trotzdem kann die Belastung für Hündin und Halter sehr groß sein und ein Eingreifen erforderlich machen. 
Eine Kastration kann das Symptom beseitigen, nicht jedoch generelle Dysbalancen regulieren und sollte mit all den Konsequenzen wohl durchdacht sein.   
Die Alternativmedizin bietet viele Möglichkeiten, das Problem Scheinträchtigkeit in den Griff zu bekommen, im Idealfall wird nicht nur symptomatisch die Scheinträchtigkeit sondern das möglicherweise zugrunde liegende Ungleichgewicht im Organismus behandelt.